Warum hatten Sie sich damals für ein Studium an der Hochschule für Musik Saar entschieden?
Ich stamme aus Erbringen (bei Beckingen), einem kleinen Dorf im Saarland, und hatte schon als 13-Jähriger eine feste, nebenamtliche Organistenstelle in Fremersdorf/Saar. Ein paar Jahre vor meinem Abitur passierte etwas Entscheidendes: aufgrund einer großzügigen Spende in dieser Gemeinde wurde dort eine wunderbare neue Orgel gebaut. Ich habe quasi Tag und Nacht dort geübt und mich schließlich für ein Studium an der HfM Saar entschieden. Ausschlaggebend für genau diese Hochschule waren jedoch meine hoch verehrten Lehrer, die mich bereits zuvor unterrichtet hatten: Prof. Kristin Merscher (Klavier) und Domorganist Prof. Leo Krämer.
Was ist Ihnen bis heute in besonders guter Erinnerung geblieben?
Da wären ein paar wunderbare Nikolaus-Feten! Ich kann mich erinnern, dass einmal einige Studierende nach der Feier den Pförtner nach Hause getragen haben -:) Aber Spaß beiseite… Es ist die ausgesprochen herzliche Atmosphäre, die diese eher kleine Hochschule bietet! Man war mit seinen Dozenten und der Verwaltung der Hochschule in gutem Kontakt. Die kurzen Wege und eine meist unkomplizierte Abwicklung von beispielsweise organisatorischen Dingen sind mir als Vorteile immer noch präsent.
Inwiefern hat Ihre Studienzeit an der HfM Saar Ihren künstlerischen / beruflichen Werdegang positiv geprägt?
Ich habe mich damals schon international orientiert und an über zehn Orgelwettbewerben weltweit teilgenommen, von Tokyo über Brügge, von Calgary bis Philadelphia. Das hat mir einen sehr guten Blick über den Tellerrand gegeben. Man sollte in Bezug auf ein Studium nicht nur regional denken, sondern sich umfassend informieren und bilden. Meine Studienzeit in Saarbrücken hat mit hierfür eine gute Basis vermittelt und mit dem Studium der Kirchenmusik eine Absicherung gegeben. Als freiberuflicher Konzertorganist habe ich sie dann allerdings nie in Anspruch genommen.
Haben Sie den Weg eingeschlagen, den Sie sich während Ihres Studiums zum Ziel gesetzt hatten, oder haben Sie sich später in eine andere Richtung orientiert?
Teils, teils: Continuo-Spiel bei Sir Roger Norrington oder Helmuth Rilling, Arbeiten mit hochrangigen Sängern und Instrumentalisten bis hin zu regelmäßigen Orchesterdiensten bei den Berliner Philharmonikern, dafür habe ich von meinen Hauptfachlehrern in Saarbrücken die nötigen, soliden Grundlagen erhalten. Den Beruf jedoch, den ich heute ausübe, Principal Organist der Bamberger Symphoniker und Professor für Orgel an der Codarts University Rotterdam, den konnte man damals in Saarbrücken nicht studieren. Der von mir sehr geschätzte (ehemalige) Rektor Prof. Thomas Krämer hatte mir eindringlich geraten, mich auf eine Kantorenstelle zu bewerben. Aber mein persönliches Ziel, meine Vision, war es immer, freiberuflich tätig zu sein.
Haben Sie heute noch Kontakt zu ehemaligen Professoren / Professorinnen oder Kommilitonen / Kommilitoninnen?
Ich pflege sehr gerne den Kontakt zu guten Freunden aus meinem Studiengang, sogar eine Patenschaft ist aus dem Studium heraus gewachsen. Ich musiziere immer gerne mit ehemaligen Studierenden der HfM Saar und treffe als Solist oder im Orchester hervorragende AbsolventInnen aus Saarbrücken. Ob als Tonmeister beim Bayerischen Rundfunk, als Marketing-Chef von Breitkopf und Härtel oder als Kirchenmusiker in Illingen – das Berufsfeld der Ehemaligen ist breit gestreut, man hat also schlussendlich das erreicht, was man sich als Ziel gesetzt hat. Mit Prof. Merscher und Prof. Krämer tausche ich mich regelmäßig über berufliche Themen aus und ich konnte im Sommer 2021 mit beiden meine neue Position als Professor in Rotterdam feiern.
Verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung Ihrer ehemaligen Hochschule noch mit Interesse und falls ja, über welche Kanäle?
Natürlich interessiert mich die Entwicklung der Hochschule. Ich lese regelmäßig nmz.de, Klassik.com und alla breve, somit bin ich gut informiert. Im Jahr 2021 konnte ich als Botschafter für den Landesmusikrat Saar beim Projekt „Die Orgel – das Instrument des Jahres“ einen genaueren Blick auf aktuelle Aktivitäten werfen. Mit dem Staatsorchester Saarbrücken und dessen GMD Sébastien Rouland habe ich kürzlich als Solist sogar in unmittelbarer Nachbarschaft der HfM gespielt. Und als Saarländer genieße ich es dann natürlich besonders, mich bei einem gutem Essen über die musikalischen Neuigkeiten im Saarland zu informieren-:)
Die HfM Saar hat nun mit der Neu-Besetzung der Orgelprofessur eine wichtige Entscheidung zu fällen. Da sollte sie mit Bedacht auswählen, aber vor allem zukunftsorientiert und visionär vorgehen. Dafür wünsche ich der Kommission gutes Gelingen! Die Kirchenmusik sowie das Konzertfach Orgel und somit auch die Ausbildungsstätten werden es nach Corona nicht gerade leicht haben. Aber ein gutes Konzept und fundierte Ideen werden sicher zu nachhaltigem Erfolg führen.
Was wünschen Sie der HfM Saar für die Zukunft?
Ich wünsche der HfM Saar vor allem Stabilität, einen sicheren Haushalt und Rückhalt durch Politik und Gesellschaft. Die freundliche, konstruktive und kollegiale Atmosphäre unter Studierenden und Lehrenden möge weiterhin das Miteinander prägen. Und dann würde ich der Hochschule natürlich auch den großzügigen Spender einer hervorragenden neuen Orgel wünschen, am besten natürlich in einem neuen Konzertsaal…
Seit seinen Debüts bei den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle und den Salzburger Festspielen mit Magdalena Kožená zählt Christian Schmitt zu den international gefragtesten Organisten. 2021/22 ist er „Artist in Focus“ des Tonhalle Orchesters Zürich sowie Kurator der dortigen „Internationalen Orgeltage“ und weiht unter der Leitung von Paavo Järvi die neue Orgel ein. Seit 2014 ist er Principal Organist der Bamberger Symphoniker.
Höhepunkte der letzten Zeit waren sein Debüt in der Walt Disney Concert Hall, Aufführungen mit der Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim, mit dem Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra in der Suntory Hall, sowie seine jüngste Hindemith-Aufnahme mit dem Dirigenten Christoph Eschenbach.
Christian Schmitt konzertierte an den Orgeln der Elbphilharmonie Hamburg, des Konzerthauses Berlin, der Berliner Philharmonie, des Wiener Musikvereins, des Gewandhauses Leipzig und des Maison Symphonique Montréal und arbeitete mit Philippe Herreweghe, Jakub Hruša, Marek Janowski, Cornelius Meister, Manfred Honeck, Juliane Banse, Sibylla Rubens, Kristin Merscher, Tatjana Ruhland, Matthias Höfs oder Michael Volle zusammen. Seine Diskographie umfasst aktuell rund 40 Aufnahmen. Für die Deutsche Grammophon spielte Schmitt zwei CDs für das Projekt ‚Bach 333 – Die neue Gesamtausgabe‘ ein. Ebenso hervorzuheben ist das Album ‚Prayer‘ mit Magdalena Kožená, das 2014 bei der DG erschien. In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk und dem Label cpo wurden alle 10 Sinfonien von C.M. Widor auf der historischen Cavaillé-Coll 1890 in Rouen eingespielt.
Seit dem Wintersemester 2021 unterrichtet er als Professor für Orgel und Nachfolger Ben van Oostens an der Codarts University Rotterdam. Schmitt studierte Orgel bei Daniel Roth (Paris), Leo Krämer (Saarbrücken) und James David Christie (Boston).
Er engagiert sich ehrenamtlich bei ‘Rhapsody in School‘ und ist Juror beim Auswahlverfahren der Studienstiftung des Deutschen Volkes.
Fotos: © Uwe Arens