Lehrbeauftragte an den deutschen Musikhochschulen
Positionspapier der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen in der HRK
Verabschiedet auf der Winterkonferenz in Berlin am 15. Januar 2023
Ausgangslage
Die Situation der Lehrbeauftragten an den deutschen Musikhochschulen hat sich zu einer komplexen Problematik entwickelt, die für die Lehrbeauftragten wie für die Hochschulen selbst gleichermaßen nicht befriedigend ist. Nötig ist daher ein Austausch über Anforderungen wie Ansprüche beider Seiten.
Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat 2014 einen ausführlichen Bericht zur Situation der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen vorgelegt. Dieses Papier hat bis heute in seinen wesentlichen Aspekten Gültigkeit.
Lehraufträge sind als Ergänzung des universitären Lehrangebots gedacht. Nach § 55 HRG können an „Kunsthochschulen […] Lehraufträge (auch) zur Sicherstellung des Lehrangebots in einem Fach erteilt werden.“ Dies hat ermöglicht, dass sich an den deutschen Musikhoch-schulen der Anteil der Lehrbeauftragten u.a. auf Grund des Aufwuchses von Studienplätzen – ohne ein entsprechendes Aufwachsen von Beschäftigungsverhältnissen – überproportional stark entwickelt hat (Anteil bundesweit zwischen 25% bis ca. 60% der Lehrversorgung).
Die Gruppe der Lehrbeauftragten ist sehr heterogen zusammengesetzt: Ein großer Teil der Lehrbeauftragten ist selbständig und ausschließlich im Lehrauftrag tätig, oft bei zu geringer und nicht auskömmlicher Bezahlung, unzulänglicher sozialer Absicherung (abhängig vom jeweiligen Landesrecht). Dies kann in Einzelfällen zu prekären Situationen führen.
Die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen in der HRK (RKM) bekennt sich zum verantwortungsvollen umsichtigen Handeln mit Blick auf die besondere Bedeutung der Lehrbe-auftragten für die Existenz der deutschen Musikhochschulen.
Thesen und Perspektiven
1. Lehrbeauftragte sind Eckpfeiler der Personalausstattung an Musikhochschulen
Das Drei-Säulen-Modell mit Professuren, Mittelbaustellen und Lehrbeauftragten ist an den deutschen Musikhochschulen etabliert und unverzichtbare Grundlage dieses Hochschultyps. Die Musikhochschulen sind auf Lehrbeauftragte angewiesen, um Lehre in der erforderlichen Breite wie Spezialisierung anbieten sowie flexibel und praxisnah Unterricht durchführen zu können. Dies gilt insbesondere auch für die Lehramtsausbildung, in die Studierende mit verschiedensten Hauptfachinstrumenten aufgenommen werden. Die Musikhochschulen reagieren durch den Einsatz von Lehrbeauftragten auf die so entstehenden wechselnden Bedarfe.
2. Lehrbeauftragte sind selbständig Tätige
Lehrbeauftragte nehmen ihre Aufgaben – wie in vielen anderen Berufsbranchen auch – selbstständig entsprechend ihres Lehrauftrages wahr. Grundsätzlich ist es der selbstständigen Tätigkeit immanent, dass die*der (Lehr-)Auftragnehmer*in für die soziale Absicherung selbst Sorge tragen muss. Lehrbeauftragte werden nach Bedarf beauftragt. Ihre Beauftragung ist zeitlich befristet. Der Praxis an Hochschulen, spezielle Aufgaben dauerhaft durch Lehrbeauftragte abzudecken und bewährte Lehrbeauftragte regelmäßig zu engagieren, stehen arbeitsrechtliche Begrenzungen entgegen. Lehrbeauftragte sind in den meisten Bundesländern keine Hochschulmitglieder.
3. Lehrbeauftrage erfahren eine hohe Wertschätzung
Die Musikhochschulen pflegen eine hohe Wertschätzung ihrer Lehrbeauftragten. Diese sind exzellente Künstler*innen oder Pädagog*innen, die in der freien Szene, in Orchestern oder in Musikschulen hoch anerkannt sind. Sie tragen somit zur künstlerischen und pädagogischen Exzellenz der deutschen Musikhochschulen bei. Ihre künstlerische, pädagogische, musiktheoretische und wissenschaftliche Arbeit wird von Kolleg*innen wie Hochschulleitungen als unverzichtbar und qualitativ hochwertig eingeschätzt. Sie erweisen ihre Qualität u.a. in konkurrierenden Ausschreibungsverfahren.
Die Musikhochschulen sind ständig bemüht im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Bedingungen der Lehrbeauftragten zu verbessern. Dies äußert sich in der Anpassung der Honorarsätze, der Vergütung von Vorbereitung, Prüfungen oder Fahrtkosten, Mitgliedschaften oder Gremien-beteiligungen – wo die Gesetzgebung dies zulässt – sowie der Beteiligung an Fortbildungsangeboten. In der Umsetzung gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern.
Durch zusätzliche Stellen im Mittelbau haben einzelne Hochschulen die Zahl der Lehraufträge verringert und Lehrbeauftrage in ein festes Beschäftigungsverhältnis übernommen.
4. Lehrbeauftragte brauchen Unterstützung
Die Musikhochschulen sind sich ihrer Verantwortung bewusst, gemeinsam mit den Länder-ministerien dazu beizutragen, den Lehrbeauftragten gute Bedingungen für ihre Tätigkeit an den Hochschulen zu gewähren. Die Hochschulen können Honorare jedoch nur in dem Umfang vereinbaren und auch erhöhen, wie ihnen das jeweilige Land Mittel zusätzlich zur Verfügung stellt.
Lehrbeauftragte (oder, wo vorhanden, deren Vertretungen) und Hochschulleitungen – sowie bklm (Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen) und RKM – stimmen im regelmäßigen Austausch aktuelle Probleme vor Ort oder grundsätzliche Themen und politi-sches Vorgehen auf Länderebene ab.
Gemeinsame Ziele
Hochschulen, Lehrbeauftragte (oder deren Vertretungen) und die Politik sollten gemeinsam weitere Ziele und Standards für Lehrbeauftragte und deren Tätigkeitsbedingungen an den deutschen Musikhochschulen formulieren:
1. Lehraufträge sollten angemessen vergütet werden. Dies ist länderspezifisch zu präzisie-ren. Dynamische Honorarmodelle, die regelmäßig an Lebenshaltungskosten, Inflation etc. angepasst werden, müssen entwickelt werden.
2. Bei der Vergütung von Lehraufträgen sollten Vor- und Nachbereitung sowie Prüfungstätigkeiten und Beiträge zur Krankenversicherung und Altersvorsorge angemessen berücksichtigt werden.
3. Für die Lehrversorgung an den deutschen Musikhochschulen soll (je nach länder-spezifischen Möglichkeiten) ein Lehrbeauftragten-Anteil von 30 % möglichst nicht über-schritten werden. Dieses Ziel soll in einer Zeitspanne von 8 bis 10 Jahren insbesondere durch Schaffung von zusätzlichen Mittelbaustellen erreicht werden.
4. Es sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Lehraufträge ohne Rechtsrisiko auch über mehrere Semester erteilt werden können sowie die Hoch-schulen den Lehrbeauftragten Zugang zu ihren hochschuldidaktischen Fortbildungen gewähren können, deren Kosten die Hochschulen tragen.
Forderung
Die Verantwortung für die finanzielle Umsetzbarkeit dieser Ziele liegt maßgeblich bei den Ministerien. Die Musikhochschulen fordern daher die Unterstützung aller Ministerien: Für die anzustrebenden Quoten, für regelmäßige Honorarerhöhungen sowie für die Neueinrichtung von Mittelbaustellen in Fächern mit planbaren Dauerbedarfen (wie Nebenfachunterricht in Gesang und Klavier, Musiktheorie und Korrepetition) müssen sukzessive die benötigten Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden.
Hier können Sie das Positionspapaier als PDF-Datei herunterladen