Wer ein künstlerisches Studium mit einer klaren Karrierevorstellung beginnt, ist gut beraten. Wer davon ausgeht, dass dieser Wunsch dann genau so in Erfüllung geht, kann sich unter Umständen wundern. Hätte ich damals geglaubt, dass ich die klassische Ausbildung durchlaufe und nach dem Studium im Bereich improvisierte Musik, Jazz, Neue Musik arbeiten werde? Wohl nicht. Die Entscheidung, in Saarbrücken zu studieren lag weniger an der Hochschule selbst, sondern am Professor. Thomas Duis — ich spielte ihm eine Weile vor der Aufnahmeprüfung vor, war mir auf Anhieb sympathisch, strahlte sowohl pianistische Kompetenz als auch die notwendige Härte aus, die es damals brauchte, um mich störrischen Jungen zu unterrichten. Eine gute Wahl also, das sage ich auch heute noch.
Störrisch war ich anfangs, nicht immer ausschließlich bei der „klassischen“ Sache. Einige Male habe ich meinen Professor dadurch sicher herausgefordert. Das erste Mal schon im Laufe der Aufnahmeprüfung. Denn während Hauptfach und Theorie problemlos verliefen, nahm ich das Nebenfach nicht sonderlich ernst. Auf die Aufnahmeprüfung im Nebenfach Gesang (jetzt kann ich es ja zugeben) bereitete ich mich dadurch vor, dass ich zwei Kunstlieder aussuchte, die ich als gut vom Blatt singbar erachtete. Das tat ich dann auch in der Prüfung, nicht wissend dass eines für Tenor, das andere für Bariton komponiert war. Das klang sicher herrlich und mir war damals nicht bewusst, dass lediglich der persönliche Einsatz von Thomas Duis mir das Studium ermöglichte. Ich bin überzeugt, es waren ein paar Menschen, die oben genannten seien hier besonders herausgestellt, die mich zum disziplinierten Arbeiter machten, die mir zeigten, was künstlerische Arbeit und Kreativität bedeutet. Diesen Menschen bin ich sehr dankbar, denn ohne sie wäre ich keinen Schritt weitergekommen. Auch ihnen gebührt meine Dankbarkeit, wenn ich meine künstlerische Arbeit heute betrachte. Auch wenn das Feld, in dem ich nun arbeite, nicht unbedingt das ist, in das mein Studium mich auf dem geraden Weg geführt hätte. In der Retrospektive ist meine jetzige Arbeit schon im Studium zu erahnen gewesen. In der Welt der klassischen Pianisten lag wohl nie meine Zukunft. Zu instabil war ich bei Wettbewerben, die erste Runde zu überstehen war jedes Mal ein reiner Glücksfall.
Was ich jedoch im Verlauf des Studiums lernte, das hätte ich nirgendwo sonst gelernt. Die vielleicht wichtigste Lektion: Finde Deinen Weg und gehe ihn. Er wird steinig sein und er wird sich lohnen. Eine künstlerische Hochschule ist immer auch ein Schmelztiegel für Menschen mit einer besonderen Macke. Ich erinnere mich gerne an diese Menschen und ihre Macken. Einige sehe ich heute noch, weil ich ihre Macken so mag, andere sehe ich wahrscheinlich nie wieder. Da passen offenbar unsere Macken nicht zueinander. Ich wünsche allen aktiven Studenten, dass sie ihren Weg finden, ihn gehen und auf diese Weise ihren ganz persönlichen Erfolg kreieren können. Der ist wichtiger als all das, was im Studium noch so groß und erstrebenswert erscheint. Möge die HfM Saar ihnen dabei eine Hilfe sein.
Ich habe an der HfM Saar im Grundstudium Musikerziehung mit Hauptfach Klavier und danach im Aufbaustudium das Konzertreifeexamen abgelegt. Wichtige Mentoren für meine künstlerische Arbeit waren neben meinen Lehrern Thomas Duis und Fedele Antonicelli auch Eduard Brunner, Irwin Gage, Theo Brandmüller und Yaron Windmüller. Nach dem Studium absolvierte ich einen Seiteneinstieg in den Lehrberuf und unterrichte derzeit im Hofenfelsgymnasium in Zweibrücken. Ich bin weiterhin auch künstlerisch aktiv. Direkt nach dem Studium lernte ich den Klarinettisten Helmut Eisel, und mit ihm eine ganz neue Art der Kommunikation durch Musik, kennen. Mit ihm spiele ich seitdem ständig. Bis zum Tod der Gitarristin Susan Weinert war ich Pianist ihres Rainbow-Trios. Gemeinsam mit ihrem Mann Martin Weinert arbeite ich derzeit an einer weiteren Veröffentlichung der Musik von Susan Weinert. In meinen eigenen Kompositionen verbinde ich die klassische Klaviertradition mit der Sprache des europäischen Modern Jazz. Mein erstes Soloalbum „Voyages“ erschien im Februar.
Foto: Rich Serra