Unter dem Titel “Evocations” hat Christian von Blohn kürzlich eine neue CD mit zeitgenössischer Orgelmusik eingespielt.

Die bei Naxos erschienene Aufnahme entstand an der großen Orgel (Westorgel) des Doms zu Magdeburg und vereint Werke von Barry Jordan, Theo Brandmüller, Arvo Pärt, Thierry Escaich sowie  Christian von Blohn selbst.

Der 1957 in Port Elizabeth (Südafrika) geborene und seit vielen Jahren am Magdeburger Dom als Organist und Musikdirektor wirkende Barry Jordan komponierte „Praise Song“ 1999 im Auftrag der „South African Music Rights Organisation Endowment for the National Arts“ (SAMRO-ENA). Der Begriff „Praise Song“ bezieht sich unter anderem im Gegensatz zu „Hymn“ auf Kirchenlieder im moderneren Stil und nicht zuletzt auf den „Lobsinger“, in Afrika noch ein unverzichtbares Mitglied der Gefolgschaft eines Stammes-Chef, der in improvisierten Oden bei Feierlichkeiten unterschiedlichster Art von den Tugenden und Taten des Häuptlings erzählt. Teile des recht virtuosen Werkes sind daher von afrikanischen Trommelrhythmen inspiriert. Bei dieser aktuellen Fassung des Stückes handelt es sich um dessen Ersteinspielung.

Theo Brandmüller (1948-2012) wirkte viele Jahre als Professor für Komposition an der Hochschule für Musik Saar. Sein Stil zeichnet sich vor allem durch das Wechselspiel zwischen humorvollem Charakter und einer mythisch-religiösen Ebene aus. In seinem umfangreichen Oeuvre nimmt die Orgel eine zentrale Stellung ein. „Sternenklänge“ ist sein letztes Werk, das er aus seinem längeren Zyklus „Kosmogonia“ herausgelöst und leicht modifiziert hat. Die Uraufführung fand am 15. Juni 2008 in Notre Dame/Paris durch den Komponisten statt. Bei dieser Aufnahme handelt es sich um die Ersteinspielung des Werkes.

Der 1935 in Paide (Estland) geborene Arvo Pärt fand nach einer eingehenden Beschäftigung mit der Musik des Mittelalters zu einem von Mystik geprägten Personalstil, der mit geringsten Mitteln wie Dreiklangsbildungen und rhythmischen Strukturen nach dem Vorbild antiker Versmaße ein hohes Maß an Intensität erreicht. „Annum per annum“ wurde 1980 zur 950-Jahr-Feier des Domes zu Speyer geschrieben; die Buchstaben K – G – C – S – A symbolisieren die Teile des Messordinariums.

Christian von Blohn (geb. 1963) betrachtet sein Stück „Dialogue vers les étoiles“ als ein posthumes musikalisches Zwiegespräch mit seinem Lehrer Theo Brandmüller. Dabei schafft er eine „irdische“ und „kosmische“ Klangebene, die sich in gegenseitigem Dialog durchdringen. Auch bei dieser Aufnahme handelt es sich um eine Ersteinspielung.

Thierry Escaich (geb. 1965 in Nogent-sur-Marne) ist als Organist und Komponist gleichermaßen erfolgreich. Seit 1997 hat er das ehrenvolle Organistenamt von St. Étienne du Mont in Paris inne und wirkt daneben als international erfolgreicher Konzertorganist. Seine Kompositionen wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

In „Évocation II“ formieren sich permanent anschwellend auf einem an Rhythmen afrikanischer Tänze gemahnenden hartnäckigen und unerbittlichen Bass die Klänge sehr unterschiedlicher Welten: kurze Litanei-artige Antiphonen mit gregorianischen Konturen, Reminiszenzen an altklassische Polyphonie in Polytonalität zum persistenten Orgelpedal, ein Psalmlied von Claude Goudimel. Man wähnt sich in einer Kathedrale, in welcher Buntglasfenster das Innere kaleidoskopartig in immer heller leuchtende Farben tauchen. Der atemberaubende Puls wird gegen Ende durch kurze Episoden unterbrochen, in denen man plötzlich ohne das Fundament des Pedales den Boden unter den Füßen zu verlieren glaubt, um dann gleich darauf wieder den Weg zum Licht einzuschlagen, worauf die musikalische „tour de force“ kurz danach in gleißendem C-Dur eruptiv und abrupt zu Ende geführt wird.

Texte zu den Komponisten und Werken: Christian von Blohn